Individualität, Empathie und Duale Narration

Doppelte Kontingenz oder „Duale Narration“  ist ein inzwischen völlig alltägliches Phänomen, das aber immer noch nur selten als Solches erkannt wird. Es wird bereits von sehr kleinen Kindern (zuerst nonverbal)  praktiziert, aber die Grundvoraussetzung zur Fähigkeit, in “doppelte Kontingenz” (oder eigentlich besser “Duale Narration” zu treten, sind

  • gut entwickelte oder zumindest beginnende Individualität und
  • Bereitschaft, Empathie zu entwickeln.

Diese beiden Grundlagen entstehen und entwickeln sich bereits in frühester Kindheit. Dazu ein einfaches Beispiel: Ein Kleinkind soll angezogen werden, z.B. mit einem „Strampler“. Zunächst (in den ersten Monaten) sind die Beinchen des Kindes „schlaff“, das erschwert das Anziehen erheblich. Sehr bald merkt die Mutter, dass das Kind ihr „entgegen kommt“, das Kind streckt die Beinchen aus, das erleichtert das Anziehen erheblich. Hier ist zunächst eine Kooperationsbereitschaft des Kindes zu erkennen: Die Mutter ist die Wollende, das Kind der/die Mitmachende.

Nicht viel später wird die Mutter folgende Situation erleben: Das Kind verweigert die Kooperation, es zieht die Beinchen bewusst zurück (aber es ist am Minenspiel des Kindes zu erkennen: es „spielt“). Die Mutter wird und muss darauf irgendwie reagieren.

Dieses Verhalten des Kindes ist ein vom Kind aufgebauter Zustand der “Dualen Narration“ – das Kind entwickelt Kontingenz (zeigt kontingentes Verhalten), und es trifft auf die Kontingenz der Mutter bzw.: es fordert von der Mutter Kontingenz. Beide treffen jetzt aufeinander.

Das Kind kooperiert nicht mehr als „Mitmachend“, sondern es entwickelte eine eigene Individualität. Gleichzeitig ist der Wunsch, das Anziehen möglichst rasch und problemlos durchzuführen, natürlich im Interesse auch des Kindes. Die gegensätzliche Handlungsweise des Kindes ist also nicht Bösartigkeit, sondern ein Spiel, ein Spiel mit den Interessen der Mutter, es ist keine bösartige Provokation, sondern eine vom Kind erdachte Irritation.

Systemtheoretisch gesehen, ist folgendes vorhergegangen: Das Kind muss über die eigene (noch sehr gering ausgeprägte) Individualität  („Ego“) auch erfasst haben, dass die Mutter eine Individualität hat. Vorangegangen sein muss also eine Kommunikation des Kindes mit der „Mutter“ im Bewusstsein des Kindes – das Kind muss sich vorher ausgedacht haben, dass die Mutter eine Person ist, und dass diese Person irritiert werden kann. Die Mutter war bereits vorher ein „Alter Ego“ im Denken des Kindes.

Die verweigerte Kooperation ist also nur das Ergebnis einer bereits vorher vom Kind erdachten und dann ausgeführten Irritation. Es ist eine non-verbale irritierende Information (im Sinne von „erzählbares Ergebnis“)  an die Mutter. Ob das Kind wirklich irritieren wollte, ob das Kind die Tragweite seiner Irritation gewusst hat, ist nicht entscheidend. Es ist ein erster (vielleicht zaghafter oder ungeschickter) Versuch, die eigene Grenze und die der Mutter spielerisch auszutesten.

Wie kann die jetzt irritierte Mutter reagieren? Wenn die Mutter bereit und fähig ist, dem Kind eine eigene Individualität zuzugestehen (was bei Kleinkindern leider oft vernachlässigt wird), kann die Mutter in ihrem Bewusstsein jetzt eine Kommunikation beginnen – sie wird vielleicht denken: „Siehe da, das Kind will mich irritieren“, und das ist bereits ebenfalls dualnarratives Denken – die Mutter kommuniziert in ihrem Bewusstsein mit der ihr bereits bekannten Individualität des Kindes. Sie selbst ist dabei das „Ego“, das (natürlich noch fiktive, weil der Mutter wenig bekannte) Kind in ihrem Denken ist das „Alter Ego“.

Beide, Kind und Mutter, entwickeln sich gegenseitig „emergent“ – die Kommunikation (in beider Bewusstsein) ist zunächst offen und weder vorhersehbar noch nachvollziehbar, weil ja z.B. auch angeborene Charaktereigenschaften Beider hinzu kommen. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass Beide sich akzeptieren lernen und Beide eine Lösung anstreben, mit der Beide gern und zufrieden leben können.

Das folgende Handeln der Mutter ist dann also wiederum eine nonverbale Information an das Kind, im Idealfall wird die Mutter das Kind ebenfalls irritieren (sie kann das Anziehen verweigern, sie kann den „Strampler“ völlig anders anziehen oder ähnlich), und damit das Spiel des Kindes deutlich fortsetzen. Hier lernt das Kind, dass Individualitätsentwicklung ein Spiel sein kann – es lernt die Grenzen der Mutter kennen und lernt damit, die eigenen Grenzen kennen und abzustecken.

Die Mutter kann auch anders handeln: Inkontingentes Verhalten (Normales Anziehen) zeigt dem Kind: Kontingenz ist nicht erwünscht. Gewaltsames Handeln zeigt dem Kind: Kontingenz macht Angst. Noch schlimmer ist dem Kind überwiegend konsequent  „liebevolles“ Verhalten zu zeigen, aber selten (oder gar unkontrolliert)  auch mal massiven Ärger – genau das macht jedem Kind erst richtig Angst vor Kontingenz! Leider ist oder war gerade solches Verhalten Fehlverhalten aber Leitlinie in der deutschen  Kindererziehung!

Der Effekt dieser Handlungsweisen ist: Das Kind lernt sehr früh, dass Individualität (eventuell auch nur zu dieser Zeit) unerwünscht ist oder gar „Angst macht“. Richtig ist: Mittels solcher erster kleinen Schritte kann jedes Kleinkind bereits sehr früh seine eigene Individualität aufbauen, es entwickelt das, was später „Individualismus genannt werden wird. Dieser Prozess kann bereits hier gefördert oder verhindert werden.

Die Fähigkeit, doppeltkontingentes oder dualnarratives Denken zu beginnen, setzt Empathie voraus – Empathie kann als Brücke zwischen dem „Ego“ und dem noch unbekannten Anderen Menschen gesehen werden. Das „Alter Ego“ ist eine fiktive Gestalt, die zwar unberechenbar ist, durch die Aufnahme in das Bewusstsein jedoch berechenbarer wird. Da (in diesem Stadium jeden Falls) auch Emotionen der Mutter vom Kind erfasst werden können, ist diese Empathie jedenfalls nötig. Selbst dieses Kleinkind hatte also bereits (schwache oder kleine) empathische Fähigkeiten, und es ist sehr im Interesse der Mutter, diese Empathie zu fördern.

Wenn doppeltkontingentes Denken nicht und ständig bewusst verhindert wird, dann ist dieser kleine Vorfall nur der Beginn einer langen Reihe von Versuchen des Kindes, seine Individualität zu entwickeln. Es ist hilfreich für die Mutter (dann auch für andere Personen), wenn sie begreift, dass das Kind diese „Spiele“ machen MUSS, und dass das Kind nicht bösartig provozieren WILL. Im Gegenteil kann davon ausgegangen werden, dass jedes Kind an einem guten Verhältnis zu Bezugspersonen (später andere Kinder oder ErzieherInnen) interessiert ist.

Falsches Verhalten der Mutter kann und wird jedoch eventuell auch verursachen, dass das Kind sich „wehrt“ – was dann als Bösartigkeit interpretiert werden kann. Es ist aber nur gestörte Empathie des Kindes. Das heißt aber nicht, dass die Mutter immer nur liebevoll spielerisch sein muss! Zur Entwicklung von Individualität gehört durchaus, dass das Kind auch irgendwann lernen muss, sich gegen Bösartigkeit Anderer (Kinder oder anderer Erwachsener) zu wehren und sich abzugrenzen, und auch das soll und muss das Kind irgendwann lernen.

Die Mutter (oder andere Personen) können dem Kind also auch mal sehr anders (und sehr kontingent, also unberechenbar)  begegnen. Es liegt in der Verantwortung der Mutter (und anderer Bezugspersonen, auch KindergartenerzieherInnen) , dem Kind zu lehren, dass Abgrenzung nötig ist und gleichzeitig dem Kind Situationen zu schaffen, die es bewältigen kann.

Das können gezielt „ironische“ (nicht zynische!!) Handlungen sein, es können „gespielte“ bösartige Verhaltensmuster sein (die dann aber auch spielerisch aufgelöst werden müssen) – wichtig ist dabei nur, dass das Kind lernt, seine Grenzen zu erkennen und nicht dabei überfordert wird. Das Kind wird ja sehr bald (zuerst im „Krabbelalter“) auf andere Kinder stoßen, die natürlich zunächst völlig unberechenbar (kontingent) sind.

Empathie (oder negativ: Gefühlsansteckung) und Bereitschaft zu doppelt-kontingentem Denken kann bei jedem Kind vorausgesetzt werden, nicht jedoch die Fähigkeit zu einer (abgegrenzten) Individualität.  Wenn es bereits vorher mit Bezugspersonen viele spielerische Ansätze erlebt hat, wird es sowohl die eigenen Grenzen kennen als auch (wenn die Mutter es bewusst herbeigeführt hat) auch gelernt haben, sich gegen Kontingenz Anderer (Kinder ff) so abzugrenzen, dass es im Zustand Doppelter Kontingenz eigenständig denken kann und selbst entscheiden kann, wie dieser Zustand sich weiter entwickelt – weiterführend oder beendend, wenn nötig.

Dann führen erste Begegnungen mit Kindern zu einem intensiven Ausbau der Individualität, zu qualifizierter Empathie (ohne „Gefühlsansteckung“ oder Konfluenz) und dann zu doppeltkontingentem oder wirklich dualnarrativem Denken mittels Kommunikation und richtigen Informationen (auch Irritationen). Probleme mit anderen Kindern werden dann nicht „kooperativ“ gelöst (also durch Rollen als Führer/Berater/Mitmacher), sondern eventuell schon sehr früh „emergent“, also durch sehr offene Rollenvorgaben.

Dieser Zustand (diese Lösung) ist dann bereits sehr früh die „Emergente Ordnung“, eine Ordnung also, die zwar durchaus durch vorher bekannte Regeln geprägt sein kann, in der diese Regeln aber auch ständig in Frage gestellt werden können.

Insgesamt ist über diese Lernschritte jedes Kindes (Individualität, Empathie, doppeltkontingentes bzw. dualnarratives  Denken, dann Emergente Ordnung) das erreichbar, was in der heutigen europäischen Gesellschaft schon längst Bestandteil ist, zusätzlich sind über Individalität auch Fähigkeiten wie Kreativität und soziale Motivation möglich.

Umgekehrt kann das als Lernziel in Kindergärten formuliert werden. Bei Kindern, deren Verhalten soziale Kompetenzmängel zeigt („Störkinder“) könnte ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Individualität oder mangelnde Empathiefähigkeit vorliegen.

Diese Fähigkeiten (und dann natürlich doppeltkontingentes , besser: dualnarratives Denken und Emergente Ordnung) können dann gezielt gefördert werden – z.B. mit psychomotorischen Kleingruppen.

 

Dazu etwas graue Theorie?

Doppelte Kontingenz kann verstanden werden als Auslöser für Morphogenese sozialer Systeme. Wikipedia zu Morphogenese:

griechisch μορφογενετικÎ – die Entstehung der Form, (siehe auch Genesis) bezeichnet die Entwicklung von Organismen, Organen und Organellen sowie anderen Strukturen und Merkmalen im Verlauf der Ontogenese von Lebewesen, also Menschen, Tieren, Pflanzen.

 

Auszug aus einer Diplomarbeit (http://opus.bsz-bw.de/phfr/volltexte/2007/19/pdf/DokZusammengest.pdf):

2.2.3.3 Doppelte Kontingenz als Auslöser für Morphogenese sozialer Systeme

In Luhmanns Theorie ist der Sachverhalt der doppelten Kontingenz von zentraler Bedeutung, wenn es um Interaktion von verschiedenen Systemtypen geht. Aus diesem Grund spielt er auch für Verstehen eine Rolle. Doppelte Kontingenz ist unterschwellig permanent eine treibende Kraft und der Auslöser für alle Interaktionen zwischen zwei psychischen Systemen und damit für die Morphogenese bzw. Entstehung sozialer Interaktionssysteme. Damit ist sie allem Verstehen vorausgesetzt, denn Verstehen ist ja auf soziale Interaktion bzw. Kommunikation angewiesen, also auf soziale Systeme. Doppelte Kontingenz lässt soziale Systeme entstehen, in denen soziales Verstehen ermöglicht wird.

In einer Situation der doppelten Kontingenz treffen zwei geschlossene Systeme aufeinander. Sie nehmen sich gegenseitig wahr, können sich aber nicht durchschauen, es sind black boxes. Ein jedes System bestimmt sein eigenes Verhalten durch komplexe selbstreferentielle Operationen innerhalb seiner Grenzen. Die Systeme beobachten sich nun gegenseitig. Das, was von ihnen sichtbar wird, ist deshalb notwendig immer eine Reduktion. Die beiden geschlossen Systeme bleiben füreinander intransparent, der Versuch, den anderen in seinem Verhalten zu berechnen, würde scheitern. Wie kann nun Handeln zustande kommen, wenn jedes System sein Handeln vom jeweils anderen System abhängig macht? Diese Situation der Unsicherheit, Ungewissheit birgt eine unbestimmte und überwältigende Komplexität für beide Systeme in sich. Sie sind mit dieser Situation vollkommen überfordert, da sie Erwartungen bilden können müssen, um Unsicherheit zu absorbieren. Dazu müssen sie die Ungewissheit in der Umwelt, gegeben in Form der unbestimmten Komplexität, reduzieren. Unsicherheit kann mithilfe von Kommunikation reduziert werden. Die übermäßige Komplexität und Unübersichtlichkeit erzwingt geradezu die Bildung eines Sozialsystems, über welches die psychischen Systeme in Kontakt treten und langsam die Komplexität anderen reduzieren. Durch das Interaktionssystem kann dann Verstehen ermöglicht werden, und durch die verinnerlichte Annäherung an die System-Umwelt-Differenz eines anderen Systems (durch langsam erfolgende Einschätzung, „diese Person ist so und so, ich kann sie einschätzen“) können sich dann Erwartungen bilden, die strukturbildend wirken.

Alles beginnt also mit Versuchen einer Anfangskommunikation, mit versuchsweisem Handeln. Die schwarzen Kästen erzeugen auf diese Weise <Weißheit>, sobald sie aufeinander treffen, bzw. zumindest genug Transparenz für den Verkehr miteinander. Die Anfangsfrage lautet, ob der Partner eine Kommunikation annehmen oder ablehnen wird (vgl. Reese-Schäfer, 1999,77) Die oberflächliche, anfängliche Kommunikation kommt mit immanenten Verstehenskontrollen in Gang. Dadurch wird nach und nach Verstehbares ausdifferenziert und der Anteil an Missverstehen reduziert. Auf diese Weise kann eine emergente Ordnung zustande kommen, die zwar durch die Komplexität der sie ermöglichenden Systeme bedingt ist, ihr aber nicht in vollem Umfang entspricht. Es ist also gerade die Situation einer Intransparenz, eines Nichtverstehens, die Kommunikation hervorruft und soziale Interaktionssysteme entstehen lässt.

In der Situation der doppelten Kontingenz bleiben die Systeme stets getrennt. Sie verschmelzen nicht bei der zunehmenden Ausbildung von Erwartungsstrukturen, sondern sie konzentrieren sich auf das, was sie am anderen System als Input/Output beobachten können. Sie lernen jeweils selbstreferentiell in ihrer je eigenen Beobachterperspektive. Die zunehmende Ausbildung von Erwartungsstrukturen und damit verbundene Weißheit bedeutet auch nicht, dass sich die Systeme irgendwann durchschauen. Mit jeder neuen Kommunikation reproduziert sich die Möglichkeit zur Handlungsfreiheit, zur Ablehnung und damit zur Intransparenz, Die Systeme bilden zwar nach und nach Gewissheiten durch Erwartungen aus, werden jedoch nie ganz transparent füreinander. Doppelte Kontingenz ist in diesem Sinne autokatalytisch, das heißt, die Situation wird immer wieder reproduziert, nie aufgebraucht. Jeder Sinn erzeugt Gegensinn – „Jedes ausgesprochene Wort erregt Gegensinn“ (Goethe, 1893, S.500). Wenn Ego nun weiß, dass Alter weiß, dass Ego sich um Voraussicht des Verhaltens von Alter bemüht – muss Ego auch den Effekt dieser Antizipation mit einbeziehen (vgl. Luhmann, 1984, 171).

Ein Zitat aus selbiger Arbeit zu Empathie:

1.5 Soziale Kompetenzen sind verstehensbasiert

Auf der Ebene der Kooperations- und Koordinationsfähigkeit ist vor allem Verständnis der Situation und der (Arbeits-) Abläufe sowie der Gruppenstrukturen gefragt. Eine gute Kommunikationsfähigkeit, die die unterste Ebene sozialer Kompetenzen darstellt, setzt eine gewisse Feinfühligkeit, ein Fingerspitzengefühl und Empathie voraus sowie ein Verständnis von der Wahrnehmung seiner Kommunikationsakte seitens der anderen. Erfolgreiche Kommunikation erfordert ein solches Bild des anderen, das es ermöglicht, richtige Ausdrucksformen zu finden.

Nach dem Gesagten haben praktisch alle Bereiche sozialer Kompetenzen eine gewisse Fähigkeit als Grundlage, nämlich die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen und sein eigenes Handeln mit ihrem abzugleichen. Für gewisse soziale Kompetenzen kommen weitere Fähigkeiten hinzu, wie z.B. die Akzeptanz des anderen bei der Konfliktfähigkeit. Durch besseres Verstehen der sozialen Situation mit all ihren Facetten ist eine Person eher handlungsfähig, insbesondere in unvorhersehbaren und schnell wechselnden Situationen, die ein typisches Kennzeichen unserer Gesellschaft sind. In ihnen hilft das Verstehen anderer Personen, um die Verhaltenserwartungen an sich selbst besser einzuschätzen und ebenso die Erwartungen, die die Situation mit sich bringt. Es kann angemessener und zufriedenstellender (für sich selbst und für den Interaktionspartner) reagiert werden, die „Wünsche“ und Erwartungen der anderen werden besser antizipiert und man ist sozial erfolgreicher, weil der Interaktionspartner sich verstanden fühlt.

An dieser Stelle soll deutlich gemacht werden, dass „Verstehen“ in dieser Arbeit in ganz spezifischer Weise verstanden werden soll. Das Konzept des Verstehens wird im nächsten Kapitel systemtheoretisch entfaltet, und das bedeutet eine absolute Loslösung von der Vorstellung, dass man wirklich, in einem tiefgehenden und wahren, empathischen Sinne, verstehen kann. Verstehen bleibt eine Art Konstruktion. In dem Verstehensmodell von Niklas Luhmann ist es vor allem von Bedeutung, welche verschiedenen Möglichkeiten der sozial kompetente Mensch an Schemata zur Verfügung hat, mit denen er die Welt betrachtet und damit auch soziale Situationen und andere Individuen wahrnimmt. Verstehen manifestiert sich hier über die Kommunikation, und soziale Kompetenz zeigt sich an den vielfältigen Möglichkeiten des Anschlusses an die Kommunikation zwischen zwei Interaktionspartnern.